3-Fragen-Interview für „Familie bleiben“

Für Isabell Lütkehaus schrieb ich in 2021 einen Gastbeitrag für Ihren Ratgeber „Umgang im Wechselmodell“, damals gab es hierzu einen Blogbeitrag von mir.

Nun haben Isabell und ich uns zu einem knackigen 3-Fragen Interview wiedergetroffen.

Im Mai erscheint zudem eine Podcastfolge von Wechselmamam auf Ihrem Kanal. Weitere Interviews und wertvolle Infos rund um das Thema „Familie bleiben“ findet Ihr auf der gleichnamigen Website. Los geht’s!

Frage 1

Wie war das nach eurer Trennung, habt ihr direkt das Wechselmodell praktiziert, oder zunächst andere Umgangs- und Betreuungsmodelle ausprobiert?

Während als auch nach der Trennung hatten wir zuerst keinerlei feste Umgangsregeln. Dies war für uns alle in der ohnehin belastenden Situation sehr hinderlich, denn es nahm uns die Chance auf eine feste Routine, die in solch ohnehin schwierigen Momenten allen Beteiligten geholfen hätte. Ca. zwei Jahre nach der Trennung gingen wir in ein wöchentliches Wechselmodell über. Diese feste Regelung war für unser Kind, als auch für mich eine große Erleichterung. Die Möglichkeit, feste Alltagsregeln etablieren zu dürfen, Planbarkeit in der Abholung und Betreuung als auch im sozialen Umfeld oder dem Arbeitgeber gegenüber kommunizieren zu können, war eine riesige Erleichterung und steigerte vor allem das Stabilitäts- und Sicherheitsgefühl unseres Kindes sprunghaft.

Hätten wir dies vorher gewusst, vielleicht hätten wir schneller ein klares Trennungsmodell angestrebt, um die notwendige Heilung der Verhältnisse deutlich früher zulassen zu können.

Mareike Milde

Frage 2

Wie gestaltet ihr den Alltag aus? Und wie regelt ihr besondere Situation, wie z.B. wenn euer Kind krank ist oder Elternteil verhindert? Wie kommuniziert ihr?

In unserem wöchentlichen Wechsel startet die Woche immer Freitags. Als unser Kind noch jünger war, liefen die Wechsel ohne persönliche Treffen, ein Elternteil brachte das Kind morgens in die Kita / Schule, der andere holte ab. Ein Tausch zum Wochenende sollte den Vorteil haben, dass sich unser Kind in Ruhe an die gewechselte Umgebung gewöhnen könnte, bevor der Alltag am Montag wieder beginnt. In unserem Fall war dies zwar nicht nötig, da unser Sohn ab Wechselwoche 3 völlig im Rhythmus angekommen war und die feste Regelung erfreut annahm. Dies ist aber nicht die Regel und wir hatten hier einfach Glück, dass es für uns so gut passte.Die ersten Jahre hielten wir uns konsequent an die wöchentliche Abfolge. Die Wechselwochen liefen ohne Änderung und Ausnahme das Jahr über durch, lediglich zu Weihnachtsen / Neujahr wechselten wir uns ab und in den Sommerferien erhält der Elternteil, dessen Woche ohnehin gerade läuft, die ersten drei Wochen. Das heißt, dass es auch bei Geburtstagen, wichtigen Anlässen oder Arztterminen keinerlei Ausnahme gab – diese Tage lagen immer bei dem Elternteil, der ohnehin zuständig war. Auch die Übergaben waren exakt terminiert, daran gab es nichts zu rütteln.

Tatsächlich hat dies uns allen Halt und Planbarkeit für die ersten Jahre gegeben, so dass wir unsere Energie auf die wesentlichen Dinge lenken konnten, wie die Erziehung unseres Kindes als auch endlich einen stabilen, sicheren Alltag zu kreeieren. Nebenstreitschauplätze waren durch diese klare Regelung weitestgehend ausgenommen, was uns allen gut tat.

Mittlerweile hat sich das Elternverhältnis sehr entspannt, das Wechselmodell wird lockerer gehandhabt. Dies liegt natürlich auch an unserem Kind, welches mit zunehmenden Alter seine Wünsche klar kommuniziert und inzwischen eigenständig zwischen uns Eltern hin- und herpendelt.

Diese Freiheit ermöglichen wir ihm gern und genießen es auch, wenn unser Kind zwischen der Woche einmal bei dem ein- oder anderen auftaucht. Bei dem anderen Elternteil übernachten möchte es aber außerhalb der Wochen nur ungern, da er die klare Regel noch für sich braucht.

Dass bei einer so starren Regel alle Ostertage in den ersten Jahren bei mir verlebt wurden, allerdings auch alle Arzttermine bei mir landeten, während der andere Partner alle Geburtstage abbekam, ist dabei hinzunehmen, der Vorteil der Ruhe und Stabilität war hier für mich im absoluten Fokus.

Mittlerweile ist auch das lockerer gehandhabt und wenn das Kind krank bei dem einen Elternteil bleiben möchte, akzeptiert das der andere Elternteil in der Regel auch.

Mareike Milde

Einen Nachteil gibt es hier allerdings für mich: Krankheit. Tatsächlich ist bis auf einen Krankenhausaufenthalt der Wechsel auch bei einem fiebrigen Kind hinzunehmen. Das war für mich sehr schwer zu akzeptieren die ersten Jahre, denn ich möchte meinem kranken Kind einen räumlichen Wechsel ersparen. Allerdings war dies zum Glück nur 1-2mal der Fall in der ersten Zeit. Mittlerweile ist auch das lockerer gehandhabt und wenn das Kind krank bei dem einen Elternteil bleiben möchte, akzeptiert das der andere Elternteil in der Regel auch.

Meine Leser fragen oft, wie sich die Situation bei uns entspannen konnte. Definitiv hat der Prozess Jahre gedauert und ist nicht einfach zu beantworten. Allerdings war ein wesentlicher Treiber zu mehr Miteinander die Coronazeit mit all ihren Lockdowns und Ausnahmesituationen. Die Welt stand kopf und die Dinge waren so quer, dass wir regelrecht gezwungen waren, mehr im Miteinander zu handeln. Somit hatte diese Zeit trotz aller Schwierigkeiten einen guten positiven Effekt auf unser weiteres Zusammenleben.

Frage 3

Was sind deinem Erleben nach die Nachteile vom Wechselmodell?

Und was die Vorteile?

Zu Beginn – nach Erleichterung über die festen Regelprozesse und Betreuungszeiten – gab es für mich als auch für mein Kind überhaupt keine Nachteile. Ich war heilfroh, dass wir feste Zeiten und Wechsel etablieren konnten, dies tat uns allen sichtlich gut, positive Ruhe stellte sich ein.

Die Vorteile für unser Kind waren vor allen Dingen feste Abfolgen, gleichermassen die Nähe zu Papa und Mama in friedvollen Umgebungen, also ohne angespannte Konfliktsituationen zwischen den Eltern, da wir durch die Wechsel über Kita und Schule außerhalb der Ferien kaum Berührungspunkte hatten.

Die Vorteile für mich lagen ebenfalls in der Sicherheit, die Nähe zu meinem Kind behalten zu können und ihm die Möglichkeit der stabilen Abläufe zu gewähren und dies, ohne auf einen der beiden Elternteile verzichten zu müssen – zumindest in Gänze. Auch konnte ich so überhaupt erst einen Vollzeit – Arbeit aufnehmen, in der Woche mit Kind arbeitete ich weniger, in der Woche ohne Kind mehr, das ließ sich wunderbar und planbar vereinbaren und ich musste mir keine Sorgen um die finanzielle Versorgung machen.

Wobei wir schon bei den Nachteilen sind: meines Erachtens ist das Wechselmodell ausschließlich ein Modell für Gutverdiener, die hauptsächlich im Büro arbeiten.

Eine solche Modelllösung für den Altenpfleger mit Schichtmodell oder den Einzelhandelsverkäufer durchzusetzen mit wenig Einkommen bei hohem Arbeitsaufwand: in meinen Augen absolut unmöglich – hier muss die Politik massiv nacharbeiten, denn die berücksichtigten Erziehungsmodelle bilden weiterhin überwiegend die gelebten traditionellen Erziehungsmodelle ab.

Für mich persönlich hat das Wechselmodell erst mit zunehmendem Alter meines Kindes einen großen Nachteil: Freunde spielen für ihn eine große Rolle und somit ist er oft mit ihnen unterwegs – in einer Woche konnte ich mein Kind somit kaum sehen. Ich möchte ihm ermöglichen, ein weitestgehend freies und autarkes kleines Leben führen zu dürfen, ganz nach seinem Entwicklungsstand.

Auf der anderen Seite heißt das oft, dass wir nur sehr wenig Zeit in unserer Woche für uns haben, bevor unser Sohn dann wieder eine ganze Woche zum Papa wechselt. Es ist eben nur die halbe Zeit. Bei ganzer Liebe. Nicht immer sehr einfach.

Es ist eben nur die halbe Zeit. Bei ganzer Liebe. Nicht immer sehr einfach.

Mareike Milde

Ansonsten ist das Wechselmodell für uns ein großer Glücksfall und funktioniert sowohl für unser Kind als auch uns sehr gut. Wir haben bereits thematisiert, ob unser Sohn andere Zeiten wünscht, er möchte dies aber beibehalten. Natürlich funktioniert dies gut, weil wir nah beieinander leben und ein hin- und her mit dem Rad und allein leicht möglich ist. Auch ist meine Arbeit sehr flexibel und kann oft von Homeoffice aus getätigt werden. Es gibt Kinder, die vertragen diese Art von zwei Wohnungen, zwei Zimmern, zwei ZuHause gar nicht gut. In unserem Fall hat es wunderbar geklappt – unser Kind sieht es sogar als Vorteil: zwei Zimmer, zwei Sommerurlaube, zweimal Weihnachten bei zwei Patchworkfamilien – das rührt mein Herz sehr, denn warum nicht die positiven Aspekte beleuchten?

Letzter großer Vorteil: das Wechselmodell hat uns wieder einander näher gebracht, weil sich keiner von uns Eltern übervorteilt fühlte oder abgehängt. Diese Rolle des verletzten Stolzes wurde somit garnicht verletzt. Ich denke, dies hat einen Großteil der Befriedung beschleunigt.

Zwischenfazit: wir hätten sicher sehr viel besser machen können. Dafür, dass so viel falsch gelaufen ist, haben wir aber eine ganze Menge hinbekommen.

Interview: Dr. Isabell Lütkehaus, Mareike Milde

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