Die Sache mit der fehlenden Literatur

Mein Gastbeitrag zum Rechtsratgeber „Umgang im Wechselmodell

Als bei uns damals der Gedanke mit dem Wechselmodell aufkam, fühlte ich mich ein bisschen wie eine Zebragiraffe im Schaufenster – ein wenig absonderlich, ein bisschen zu bunt.

Denn Ämter, Beratungsstellen, Anwälte – diese ganze Heerschar an Institutionen, die sich den ganzen Tag mit dem Thema Kindeswohl umgaben, schienen scheinbar immer noch stärker an der „Schuldfrage“ interessiert, als an einer gut geregelten Betreuung unseres Kindes in einer Nachtrennungssituation 1.

Das kam mir reichlich schräg vor, auch wenn ich damals nicht wusste, wie ich damit umgehen sollte. Ich recherchierte mir im Netz die Finger wund, suchte nach helfender Literatur, nach Berichten oder Blogs von Betroffenen – und fand doch nur ganze zwei Bücher2 und eine fachliche Dissertation3, die sich mit dem Thema sachlich und fundiert auseinandersetzten.

Diese drei Werke wurden mein Begleiter, meine Bibel, die ich immer und immer wieder las.

Immer dann, wenn ich mir nicht sicher war, ob das wirklich alles richtig ist. Mit all dem Chaos, Streit und Ärger in dieser sonderbaren neuen Nachtrennungsrealität. Und das war so oft der Fall.

Umso mehr freue ich mich darüber, dass sich diese Unterversorgung an Wechselmodell-Literatur in den letzten Jahren ändert. Noch mehr freut es mich, dass ich dabei unterstützen und für den Becks-Rechtsberater „Umgang im Wechselmodell“ von Isabell Lütkehaus und Thomas Mattheus einen Gastbeitrag beisteuern durfte.

Dieses Fachbuch beleuchtet sachlich und umfangreich die Vor- und Nachteile eines Wechselmodells. Es klärt über rechtliche Voraussetzungen und Grundlagen auf, es bietet Checklisten, Mustervereinbarungen und Ablaufbeispiele zur Orientierung an – die man in dieser Zeit leicht auch einmal aus den Augen verliert. Es zeigt keine Pauschal-Lösungen auf, aber es kann dabei helfen, eine individuelle Lösung für die eigene Nachtrennungsfamilie zu erarbeiten.

Erfahrungsberichte mit Wechselmodell-Eltern zeigen ganz unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen auf und geben einen Einblick darüber, ob sie heute aus der Retroperspektive nochmal genauso verfahren würden – oder eben nicht.

Auch wenn dieses Buch das Wechselmodell in den Vordergrund stellt, ist es meines Erachtens nach ein Buch für alle Trennungsfamilien. Ganz einfach, weil es eine Diversität an Perspektiven aufzeigt, die so wohltuend bunt ist wie unsere Gesellschaft.

Hätte es dieses Buch zu Beginn meiner Reise gegeben, es hätte mir so viel geholfen, es hätte mir so viel Kummer erspart.

Ich hätte die für mich hilfreichen und raren Literaturquellen nicht mühsam erstöbern müssen, sondern sie einfach im eingebundenen Literaturverzeichnis nachschlagen können.

Hätte es dieses Buch aber auch schon damals gegeben, wäre es niemals zu diesem Blog gekommen.

Und damit einhergehend gäbe es nicht die vielen, vielen inspirierenden Begegnungen, die ich mit Euch dadurch erleben durfte.

Vielleicht macht es manchmal eben doch Sinn, für eine Zeit lang die bunte Zebragiraffe im Schaufenster zu sein. Auch wenn es sich zu Beginn oft sehr, sehr schräg und manchmal einsam anfühlt. Aber manchmal kann genau das auch anderen bunten Zebragiraffen bei der Erkenntnis helfen, dass sie nicht die Einzigen ihrer Art sind.

  1. Spoiler: später fand ich diese Stellen, die Ämter und Institutionen und Anwälte. Aber das hat ewig gedauert und ist nicht Teil dieser Geschichte.
  2. Remo H. Largo/Monika Czernin: Glückliche Scheidungskinder, Piper Verlag
    Ina Kiesewetter / Petra Wagner: Eine Woche Mama, eine Woche Papa
  3. Hildegard Sünderhauf, Wechselmodell – Psychologie – Recht – Praxis, Springer VS 2013

Ich danke Isabell Lütkehaus und dem dtv für die Zusendung des Freiexemplars. Dieses wurde nicht davon abhängig gemacht, wie meine Rezension ausfällt und wurde auch nicht bezahlt.

Beitragsbild: Beatriz Pérez Moya I Unsplash
Text: Mareike Milde

7 Replies to “Die Sache mit der fehlenden Literatur”

  1. Liebe Mareike,

    ich habe Deinen Blog über einen Podcast-Beitrag entdeckt. Danke für Deine offene Art mit dem Thema umzugehen!

    Viele Grüße, Susi

  2. Hey Wechselmama, danke für die Buchtipps! „Eine Woche Mama, Eine Woche Papa“ hat mir sehr geholfen, gerade weil es nicht alles beschönigt oder verurteilt. Sobald du wieder passende Tipps hast, freue ich mich wenn du dies hier teilst. Ich schaue regelmässig hier vorbei und hoffe, dass es bald weitergeht! Alles Gute, Dragi

    1. Ein Klassiker und leider immer noch nur einer von wenigen die das Wechselmodell überhaupt ausführlich und objektiv beschreiben. Die viel Erfolg für deinen weiteren Weg, liebe Dragi.

  3. Hilfe.. Und danke, Wechselmama, für diesen Buchtipp! Es ist doch immer noch vieles schwierig mit Informationen in der Wechselmodellwüste Deutschland. Weiter so! Dein Thomas.

  4. Dein Beitrag könnte passender nicht kommen. Wir sind genau jetzt in der Situation, dass wir schauen müssen, wie wir unsere Familie nach der Trennung weiterentwickeln können. Also danke für die Buchtipps hier! Da ist mit Sicherheit was für uns dabei. LG NANE

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